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Konflikte

Konflikte sind ein Grundbestandteil sämtlicher Rollenspiele. Sie helfen, die Spannung aufzubauen, sie bilden die Basis für jede gute Geschichte und ohne Konflikte können sich die Charaktere nicht entwickeln. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen, Konflikte oder gar Rollenspiele auf Kämpfe allein zu reduzieren.

Da Kämpfe dennoch ein weit verbreitetes Element im Rollenspiel darstellen, geht Daidalos natürlich auch auf diese ein, aber andere Schwierigkeiten mit denen die Charaktere sich auseinandersetzen müssen, sollen ebenfalls behandelt werden.



Kampf



Daidalos benötigt für Kämpfe keine langwierigen und komplizierten Regeln. Die Quintessenz lautet: Der Bessere gewinnt. Das war's. Was nun noch dazukommt, sind lediglich Hinweise, wie sich dieser Satz im Spiel umsetzen läßt.

Ohne lange Vorrede möchte ich einfach ein Beispiel dafür geben, wie ein würfelloser Kampf im Rollenspiel dargestellt werden kann. Es handelt sich um einen Kampf zwischen einem Charakter und dessen langjährigem Feind. Kaldarion, ein Adeliger und Ritter in einer mittelalterlich Welt, steht nach langer Zeit endlich seinem ärgsten Feind Adacor gegenüber. Beide sind hervorragende Schwertkämpfer und einander ebenbürtig.

    Spielleiter (SL): Endlich ist es soweit. Jetzt weißt du, wo du Adacor finden wirst. Du betrittst den Raum und tatsächlich, er steht an der gegenüberliegenden Wand vor dem Kamin, auf einen Sessel gestützt, mit dem Rücken zu dir. Ohne aufzusehen sagt er: "Guten Abend, Freiherr Kaldarion. Wie leichtsinnig von Euch..."

    Er dreht sich um, in seinen Augen ein böses Flackern, daß dir einen Schauer über den Rücken jagt. "Unsere Begegnung wurde unvermeidlich. Zu schade, daß Ihr Euer junges Leben einfach so wegwerfen wollt."

    Spieler: Langsam durchschreite ich den Raum und nähere mich ihm, die Hand am Griff meines Schwertes. Ich kenne seine Heimtücke, also versuche ich, mich nicht überraschen zu lassen.
    "Graf Adacor, Ihr solltet nicht so unbekümmert mit Euren Worten sein. Wer weiß, vielleicht bereut Ihr sie schon bald."

    SL: "Ihr langweilt mich mit Euren leeren Drohungen. Ihr wißt so gut wie ich, daß Ihr mir nicht gefährlich werden könnt. Ihr seid zum Verlierer geboren, wie schon Euer Vater vor Euch. Aber der wollte es ebenfalls nicht wahrhaben." Ein bösartiges Zucken spielt um seine Mundwinkel. "Nun gut, ich werde also auch Euch töten, ich hoffe Ihr habt Eurer Familie Lebewohl gesagt." Dann zieht er langsam das Schwert, das an seiner Seite hängt.

    Spieler: Langsam ziehe ich ebenfalls mein Schwert. "Der Tag der Abrechnung ist da, jetzt werden alle, die ihr bisher ermordet habt, gerächt."

    SL: Plötzlich zuckt sein Schwert in deine Richtung. Er ist verdammt schnell. Erst im letzten Augenblick hast du die Bewegung erahnt.

    Spieler: Ich reiße mein Schwert hoch und mache einen Satz zurück, um dem Angriff nicht die Chance zu geben, mich zu erreichen.

    SL: Adacor nutzt dein Zurückweichen aus und drängt dich immer weiter. Ein Schlag folgt auf den anderen, er ist kräftiger als du erwartet hast. Noch kannst du zurückweichen, aber langsam wird es eng. Noch zwei Schritte dann stehst du vor der Wand und es gibt kein zurück mehr.

    Spieler: Ich mache eine Finte, die als solche leicht zu erkennen ist, auf seinen Schwertarm, tue so als würde ich nach rechts ausweichen, versuche aber links an ihm und seiner Waffe vorbeizukommen.

    SL: Wie du erwartet hast, erkennt er die Finte und geschickt schlägt er in deine Ausweichbewegung, aber du stehst plötzlich seitlich von ihm. Du siehst, wie er kurz die Stirn runzelt. Zwar kommst du an ihm vorbei, aber er gibt sich keine Blöße. Mit diesem Gegner wirst du schwer zu kämpfen haben.

    Spieler: Ich drehe den Spieß um, nachdem ich ihn gerade überrascht habe, werde ich jetzt Druck auf ihn ausüben. Vielleicht kann ich seinem Selbstbewußtsein einen Dämpfer verpassen und er macht einen Fehler. Durch mehrere schnelle Hiebe dränge ich ihn zurück und warte auf eine Blöße.

    SL: Tatsächlich war Adacor einen Augenblick aus dem Konzept gebracht, aber er ist doch soweit ein geübter Kämpfer, daß er ohne größere Schwierigkeiten deinen Attacken entgehen kann. Gerade hat er wieder einen Hieb von dir pariert und du holst zum nächsten aus, als er überraschend eine Attacke auf deinen Fuß schlägt.

    Spieler: Habe ich den Eindruck, daß er langsam ermüdet?

    SL: Du hast noch immer das Gefühl, daß er genauso schnell ist wie du, wenn nicht sogar einen Tick schneller. Sein Alter scheint ihm gar nichts auszumachen.
    Ein spitzer Schmerz durchfährt deinen Oberschenkel und Adacors Lachen hallt in deinen Ohren wider.

    Spieler: Verflucht! Ich mache einen Satz zurück und werfe einen Blick auf meinen Fuß.

    SL: Du Wunde ist nicht sehr schlimm, obwohl du Blut verlierst. Es ist kein gutes Zeichen als erster getroffen zu werden. Wenn du ihn nicht verletzen kannst, ist es nur eine Frage der Zeit bis du zu geschwächt sein wirst, um ihm noch widerstehen zu können. Er setzt gerade nach und versucht einen Schlag auf deine Kehle.

    Spieler: Abermals mache ich einen Schritt zurück, konzentriere mich ganz auf die Verteidigung. Ich versuche in seiner Bewegung ein bestimmtes Schema zu erkennen, das ich zu meinem Vorteil ausnutzen kann.

    SL: Immer stärker bedrängt er dich. Deine Wunde im Bein fängt an zu pochen. Du hast das Gefühl, daß Adacor anstatt langsamer immer schneller wird, während dein Bein wie mit Blei gefüllt zu sein scheint. Trotz des Schmerz fällt dir jedoch auf, daß Adacor jedesmal wenn er eine Finte ansetzt leicht mit dem linken Auge zwinkert. Da, schon wieder zuckt sein linkes Auge verräterisch, als sein Schwert in Richtung deines noch unverletzten Beines hinabfährt...

    Spieler: Das ist die Gelegenheit auf die ich gewartet habe. Anstatt auszuweichen hebe ich nun die Schwertspitze und drehe sie in Richtung seines Schwertarms, der gleich nach innen gedreht werden wird.

    SL: Tatsächlich, wie du es vorausgesehen hast, er führt den Schlag nicht zu Ende sondern gibt ihm im letzten Augenblick eine andere Richtung, hin zu deinem Bauch. Aber anstatt dich zu treffen streift er mit seinem Oberarm deine Klinge. Auch er ist getroffen! Fast scheint es dir, als könnte er es noch nicht fassen.

    Spieler: Keine Pause soll er haben. Anstatt ihn zur Ruhe kommen zu lassen, forciere ich nun meine Attacken. Hauptsächlich versuche ich nun, seinen Schwertarm zu verletzen.

    SL: Noch immer pariert er, wenn auch seine Gesichtszüge nun fast verkrampft sind. Vielleicht ist der Schnitt nicht schlimm, aber wenigstens scheint er schmerzhaft zu sein. Überraschend schlägt eine Attacke auf deinen Schwertarm, du weichst zurück und er wechselt das Schwert von der rechten in die linke Hand.

    Spieler: Von diesem Zeichen seiner Schwäche ermutigt, bedränge ich ihn erneut und setzt ihn noch mehr unter Druck. Ich schlage eine Finte auf seinen rechten Arm, als hätte ich Schwierigkeiten, mich auf den anderen Arm einzustellen, drehe dann aber so, daß ich seinen linken Unterarm verletze.

    SL: Gerade hast du deine Finte ausgeführt und Adacor ist schon darauf hereingefallen, da gibt der Fußboden unter dir nach.

    Spieler: Ich mache einen Schritt zur Seite, was ist geschehen?

    SL: Du weißt es nicht genau, aber du hast kaum noch ein Gefühl in deinem Fuß. Adacor hebt sein Schwert beidhändig über den Kopf und die Klinge nähert sich rasch deinem Hals.

    Spieler: Ich lasse mich zur Seite fallen und rolle mich wieder auf die Füße. Sobald er nachsetzt, versuche ich ihn von unten mit einem Stich zu erwischen.

    SL: Er scheint nochmals überrascht von deiner Zähigkeit zu sein, da du offensichtlich schon geschwächt vom Blutverlust bist. Du kniest noch, als er einen Schritt auf dich zu macht und holt ein weiteres Mal aus. Da erwischt du ihn in der Seite. Ungläubig sieht er auf die Wunde hinab, die ihn nun weit schlimmer getroffen hat, als die Schnitte vorher.

    Spieler: Ich erhebe mich wieder ganz, bereit diesen Kampf ein für alle mal zu beenden.

    SL: Er weicht vor dir zurück, fast meinst du einen Anflug von Angst in seinen Augen zu erkennen. Er weicht zurück zur Tür zu der du hereingekommen bist.

    Spieler: Ich eile ihm hinterher. Nicht noch einmal soll er mir entkommen.

    SL: Dein Bein macht dir plötzlich ziemliche Probleme, wie ein greller Blitz erschüttert jeder Schritt deinen ganzen Körper. Du vernimmst Stimmen aus dem Gang, da die Tür auf einmal offen steht. Adacor ist verschwunden, rasche Schritte von mehreren, schweren Stiefeln kommen eilig auf dieses Zimmer zu.

    Spieler: Die Wachen! Sie müssen vom Kampfeslärm alarmiert worden sein. Ich ziehe mich so rasch als möglich zurück und entschlüpfe durch das Fenster in den Garten...

Wie das Beispiel aussieht, hätte es aus einem Film oder Buch sein können. Wie aber bringt man etwas in dieser Art in eine handhabbare Form oder anders gefragt, wie erreiche ich eine Szene, wie die gerade beschriebene, im Rollenspiel?

Bevor es um Einzelheiten zum Thema Kampf geht, möchte ich einige Dinge voraus schicken. Betrachtet man Kampfszenen in Büchern oder Filmen, kann man verschiedenes feststellen. Kämpfe dienen immer dazu, Spannung aufzubauen. Es geht nur selten um Details, das entscheidende ist fast immer das Ergebnis. Würde man eine Schlacht wie in Braveheart in jeder Einzelheit festhalten, hätte der Film deutlich mehr Überlänge. Das wichtige ist, daß sich die Geschichte weiter entwickelt und nicht unnötig verzögert. An entscheidender Stelle kann sich dies aber ins Gegenteil verkehren. Sowohl in Filmen als auch in Büchern gibt es die Möglichkeit, die Zeit zu verlangsamen, sich den Details zu widmen und damit Spannung zu erzeugen.

Als Spielleiter übernimmt man die Rolle des Regisseurs und in Kampfszenen liegt auch eine der großen Schwierigkeiten, denn es gilt, daß richtige Tempo zu finden. Kämpfe dürfen niemals langweilig werden, was eine große Gefahr ist, wenn man sich zu sehr mit den Details beschäftigt, unabhängig davon, wie "realistisch" sie dadurch werden. Für die Spieler muß ein Kampf immer Spannung, Herausforderung und Vergnügen bieten.

Die folgenden Betrachtungen zum Thema Kampf gelten in weiten Teilen sowohl für Nahkampf, egal ob bewaffnet oder waffenlos, als auch für den Fernkampf. Vom dramaturgischen Standpunkt her unterscheiden sich beide Arten nicht besonders, so daß bei Daidalos keine Unterscheidung dafür vorgesehen ist. Natürlich sind im Nahkampf Manöver möglich, die sich im Fernkampf nicht anbieten und umgekehrt. Aber für die Ausgestaltung eines würfellosen Kampfes ist es mehr oder weniger unerheblich, ob sich die Gegner einen, zehn oder mehrere hundert Meter voneinander entfernt befinden. In einem spieltechnisch notwendigen Gefecht werden alle beteiligten Parteien die dazu notwendigen Mittel besitzen, es sei denn, der Plot sieht etwas anderes vor.

Die Entscheidung, ob ein Kampf nur kurz abgehandelt wird oder ob er wirklich wichtig ist, so daß auch Details beachtet werden, liegt beim Spielleiter. Dennoch zeigt sich immer wieder, daß gewisse Situationen in bedeutender Weise Bestandteil des Spiels sind und im allgemeinen mehr Beachtung sprich Details verdienen.

Das Aufeinandertreffen alter Feinde

Vielleicht der Klassiker schlechthin, eine Situation wie oben beschrieben. Häufig ist dies der große Kampf am Ende eines langen Abenteuers. Seien es Kaldarion und Adacor, Robin Hood und der Sheriff von Nottingham oder Luke Skywalker und Darth Vader.

Entscheidende Informationen

Kämpfe sind eine günstige Gelegenheit, Informationen oder gar Geheimnisse der Gegner den Charakteren zu offenbaren. Bekannt ist zum Beispiel die Neigung der "Bösewichte", ihre Ziele den scheinbar besiegten Charakteren noch mitzuteilen. Aber auch besondere Fähigkeiten lassen sich im Kampf entdecken. Vielleicht hat der Gegner Informationen, die er im Falle seines Todes mit ins Grab nehmen würde, die aber für die Charaktere von Bedeutung sind.

Moralische Entscheidungen

Im Kampf muß sich ein Charakter immer wieder entscheiden. Tod oder Gnade, gut oder böse. Flucht oder verletzten Freunden helfen. Diese und ähnliche Situationen können es erfordern, daß die Geschwindigkeit des Geschehens verlangsamt wird und die Spieler für ihre Charaktere notwendige Entscheidungen treffen.

Überraschungen

Seit vier Tagen seid ihr unterwegs. Alles ist ruhig, als plötzlich...

Situationen wie diese sind wohl jedem Rollenspieler vertraut. Ein Verbündeter gibt sich als Feind zu erkennen, ein Hinterhalt, ein wie aus dem nichts auftauchender Attentäter. Überraschungen vieler verschiedener Arten sind Gründe, das Spieltempo zu reduzieren.

Gleichwertige Gegner

Sobald zwei Gegner aufeinander treffen, die in etwa gleichwertige Fertigkeiten im Kampf haben, ist abzusehen, daß Details entscheidend werden und sich das Spiel auf Kleinigkeiten konzentrieren muß.

Schwerwiegende Konsequenzen

Sobald ein Kampf für einen Charakter besondere Folgen hat, sollte der Spieler über die Details Bescheid wissen. Wenn er schwer, vielleicht sogar dauerhaft verwundet wird, wenn ihn seine Handlungen in die Verbannung schicken, darf sich der Kampf nicht nur auf das Mitteilen des Ergebnisses beschränken.

Drohende Niederlage

Sobald ein Charakter in ernsthafter Gefahr schwebt, sei es, daß er sich mit einem überlegenen Gegner angelegt hat oder daß er gegen eine Überzahl kämpft, sollte der Kampf sehr detailliert stattfinden. Der Spieler sollte nicht von den Ereignissen überrollt werden, sondern von allem ein klares Bild haben. Vielleicht kann er auf diese Art noch eine Möglichkeit zur Flucht finden, zumindest hat er Zeit für letzte Worte.

Diese Situationen haben alle gemeinsam, daß die Charaktere von den Folgen des Kampfes direkt betroffen sind. Wie auch immer die Einzelheiten aussehen, zumindest hat es eine Bedeutung für das weitere Leben des Charakters. Und genau dann ist es Zeit, als Spielleiter die Kontrolle der Charaktere so weit als möglich in die Hände der Spieler zu legen und damit die Verantwortung für den weiteren Verlauf der Geschichte.

Wenn zwei oder mehr Charaktere in einen Kampf verwickelt werden, muß auf irgendeine Weise ein Ergebnis gefunden werden. Anstatt auf Zufallsgeneratoren beliebiger Art zurückzugreifen, soll bei Daidalos die Erzählung und die Beschreibung im Vordergrund stehen. Der Spielleiter vergleicht die entscheidenden Fertigkeiten der beteiligten Personen. Und dann gewinnt normalerweise der Charakter mit der besseren Fertigkeit.

Normalerweise.

Aber eben nicht zwangsläufig. Man kann einem Gegner überlegen sein, obwohl dieser die besseren Fähigkeiten besitzt. Niemand hat gesagt, daß fair gekämpft wird. Wer die Regeln bestimmt, erhöht seine Chancen. Wer schmutzige Tricks anwendet, hat bessere Karten als sein anständiger Gegner. "Der Ehrliche ist der Dumme" hat im Kampf durchaus seine Berechtigung und könnte als Lehrsatz für Taktik und Strategie durchgehen.

Einfache Beispiele sind, dem Gegner Sand in die Augen zu werfen, darauf zu achten, die Sonne im Rücken zu haben, eigene Manöver vorzutäuschen...

Nicht nur die Kampffertigkeit eines Charakters kann von Bedeutung für den Ausgang eines Kampfes sein. Einige andere Dinge müssen, vor allem wenn es hart auf hart kommt, berücksichtigt werden. Ein Charakter, der stärker als sein Gegner ist, kann dies eventuell zu seinem Vorteil machen. Im Nahkampf ist neben der eigentlichen Fertigkeit vor allem die Ausdauer entscheidend. Kann ein Charakter einen überlegenen Gegner lange genug hinhalten, um diesen soweit zu ermüden, daß er an Kraft und Konzentration verliert, mag er vielleicht einen Kampf zu seinen Gunsten entscheiden. Auch frühere Verletzungen oder noch nicht verheilte Wunden beeinflussen den Verlauf eines Kampfes.

Daneben können auch äußere Umstände von Bedeutung sein. Wer die bessere Waffe besitzt, erhöht seine Chancen - in Ausnahmefällen kann dies sehr weit gehen, man denke nur an Kruzifix und Eichenpfahl, sollte ein Charakter sich als Vampirjäger betätigen. Wer steht oben, wer hat die bessere Sicht, hat einer der Beteiligten gar das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Selbst die Psychologie kann zur Waffe werden. Macht man seinem Gegner glaubhaft deutlich, daß man ihm überlegen ist, wird er sich selbst vielleicht zum Verhängnis. Noch zahlreiche andere Dinge können den Ausgang eines Kampfes beeinflussen. Im Laufe der Zeit wird mal als Spielleiter ein Gefühl dafür bekommen, wie man verschiedene Situationen beurteilen muß und wie man mit ihnen umgehen kann.

Die Aufgabe des Spielleiters ist es, den Ausgang eines Kampfes zu bestimmen. Von den verschiedenen Faktoren ausgehend, die diesen beeinflussen können, muß er zu einem Ergebnis kommen.

Dabei empfiehlt es sich durchaus, sich ein gewisses Schema zurecht zu legen. Zu Beginn muß man natürlich wissen, was die Spieler bzw. ihre Charaktere vorhaben. Wichtig ist es vor allem, möglichst keine Unklarheiten bestehen zu lassen. Diese ist meistens von einer ungenauen Beschreibung verursacht. Sobald man das Gefühl hat, einer der Spieler hat etwas mißverstanden, ist es besser nachzufragen, als sich hinterher auf eine lange Diskussion einzulassen. Zusätzlich sollte man als Spielleiter so fair sein, und seinen Spielern Warnungen zukommen lassen, wenn sie etwas vorhaben, das nach Meinung des Spielleiters nur schiefgehen kann. Im würfellosen Rollenspiel sind Aussagen, Handlungen und Folgen deutlich enger miteinander verbunden, als wenn mit Würfeln gespielt wird. Alles hängt von den Beschreibungen ab, und was gesagt ist, ist gesagt. Zumindest sollte man versuchen, sich an geschaffene Tatsachen zu halten. Nicht immer wird es gehen und als Spielleiter hat man schließlich kein Interesse daran, seine Spieler auszutricksen, aber eine gewisse Konsequenz von Seiten des Spielleiters sorgt für überlegtes Rollenspiel.

Nachdem der Spielleiter sich einen Überblick über alle geplanten Handlungen verschafft hat, kann er versuchen, einen sinnvollen Ausgang des Geschehens zu finden. Hilfreich ist es, sich die Situation möglichst genau vor Augen zu führen. Auch beim Tischrollenspiel kann man seine Spieler auffordern, in Aktion zu treten und sich so aufzustellen, wie sie sich die Situation vorstellen. Solche schauspielerischen Einlagen gehören zu den elementarsten Elementen des Rollenspiels und können gar nicht oft genug zum Einsatz kommen.

Nachdem die Seite der Spieler-Charaktere geklärt ist, sollte der Spielleiter die Situation und die Handlungen der Gegner beschreiben, möglichst dabei schon die Aktionen der Spieler integrieren und nochmals mit eigenen Worten beschreiben, um ein möglichst plastisches Bild der Szene zu erschaffen.

Sobald sich alle Beteiligten im klaren darüber sind, was eigentlich geschieht, kommt der schwierigste Teil. Es muß von den verschiedenen Voraussetzungen ausgehend ein Ergebnis gefunden werden.

Solange die Unterschiede deutlich sind, ist es relativ einfach. Wenn das Ergebnis aber auf Messers Schneide steht, da die Kontrahenten gleichwertig sind, wird es für den Spielleiter erheblich schwieriger. Ganz grob kann man die Unterschiede bei den Fähigkeiten der am Kampf beteiligten Personen folgendermaßen einteilen, wobei jedoch nicht die Fähigkeiten allein für den Ausgang eines Kampfes entscheidend sind. Erste Anregungen wurden bereits weiter oben gegeben, um jedoch die Vielzahl der Möglichkeiten abschätzen zu können braucht es eine gewisse Übung, die sich durch Ausprobieren am allerbesten erreichen läßt.

Spieler-Charakter erheblich besser als der Gegner

Die Situation ist eindeutig. Der Charakter ist seinem Gegner haushoch überlegen, er kann beinahe alles mit ihm machen. Ihn hinhalten, in leicht verwunden oder auch mit nur wenigen Angriffen besiegen. Die Fähigkeiten des Gegners sind so deutlich geringer, daß er praktisch keine Chance hat und auch kaum die Möglichkeit, den Verlauf des Kampfes deutlich zu verändern. Der Charakter geht eindeutig als Sieger aus dem Kampf hervor.

Spieler-Charakter ist etwas besser als der Gegner

Die Lage wird etwas kritischer, aber solange der Spieler-Charakter keine leichtsinnigen Fehler macht, wird ihm nicht viel geschehen. Er hat kein leichtes Spiel mehr, vielmehr muß er sich konzentrieren und wenn die Umstände des Kampfes gegen ihn sprechen, kann sich das Blatt durchaus wenden. Der Sieg ist nicht mehr gewiß, sondern hängt auch vom Einfallsreichtum der beteiligten Personen ab, im allgemeinen jedoch dauert es nur länger, bis ein ähnliches Ergebnis wie oben erreicht wird.

Spieler-Charakter und Gegner sind gleichwertig (oder beinahe)

Diese Situation erfordert viel Geschick vom Spielleiter. Der Ausgang ist alles andere als klar und kann anhand der Kampffertigkeiten nicht entschieden werden. Es sind nun die Kleinigkeiten, die das Ergebnis bestimmen. Dennoch wird der Kampf selten ein deutliches Ergebnis haben. Wenn einer der Beteiligten versucht zu entkommen, wird es ihm zumeist gelingen. Ein tödlicher Ausgang ist ausgesprochen selten, da beide Kontrahenten entsprechende Fähigkeiten haben, um sich ausreichend zu schützen. Zumeist werden die Beteiligten in etwa die gleichen Verletzungen davontragen. Für ein deutlicheres Ergebnis, müssen andere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Gleichwohl verlangt dieser Kampf dem Charakter ziemlich viel ab und sollte er nicht mit vollem Einsatz kämpfen, gibt er seinem Gegner eine gute Chance, die Oberhand zu gewinnen. Der Kampf zu Beginn dieses Kapitels ist ein Beispiel für einen Kampf mit einem gleichwertigen Gegner.

Spieler-Charakter ist etwas schlechter als der Gegner

Diese Situation sollte dem Charakter bereits einiges Kopfzerbrechen bereiten. Wenn nichts geschieht wird er innerhalb kurzer Zeit besiegt werden. Wenn er seine gesamte Raffinesse aufwendet, kann er vielleicht lange genug bestehen, daß Hilfe eintrifft. Wenn er damit nicht rechnen kann, steht er vor einem ernsthaften Problem. Ein gewagter Angriff kann vielleicht etwas bewirken, vor allem, wenn der Gegner nicht damit rechnet, aber er kann genausogut in einer Katastrophe enden. Das Ergebnis hängt stark vom Gegner des Charakters ab, er selbst kann es nicht in größerem Maße beeinflussen. Eine Chance ist lediglich, die Umstände des Kampfes so zu verändern, daß sich die Voraussetzungen ändern und nicht mehr nur die Fähigkeiten im Umgang mit der Waffe entscheiden. Andernfalls ist der Charakter von der Gnade seines Gegners abhängig.

Kündigt der Spieler an, daß er sich lediglich auf seine Verteidigung konzentriert, könnte der Spielleiter folgendes beschreiben.

    "Du weichst einigen heftigen Attacken aus, immer wieder bekommst du gerade noch dein Schwert zwischen den Stahl deines Gegners und dich. Du bist an der Grenze deiner Fähigkeiten und dir scheint, daß die Hiebe nun immer noch schneller kommen. Plötzlich durchfährt ein schneidender Schmerz deine Hand. Du siehst Blut vom Rücken deiner Hand herabtropfen. Was machst du?"

Versucht der Charakter sich mit einem Angriff, ergibt sich vielleicht eine Szene wie diese:

    "Dein erster Angriff wird ohne Schwierigkeiten geblockt. Du versuchst dich an einer Finte, aber anstatt auf diese hereinzufallen nutzt dein Gegner die Gelegenheit, kontert mit Leichtigkeit und geht seinerseits zum Angriff über. Seine Schläge prasseln auf dich ein. Instinktiv drehst du dich zur Seite, sodaß ein Streich nur deine Backe verletzt, aber dein Auge unversehrt läßt. Was machst du?"

Spieler-Charakter weit schlechter als der Gegner

Was soll man dazu sagen. Wie auch immer der Charakter in diese Situation kam, jetzt ist es fast zu spät, noch etwas zu unternehmen. Der Gegner kann praktisch alles mit dem Charakter machen, ihn innerhalb kürzester Zeit entwaffnen, mit ihm spielen, in schwer verwunden oder gar töten. Jeder Versuch, den Attacken etwas entgegenzusetzen, ist beinahe von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn sich der Charakter nur um sein Überleben kümmert, mag er ein paar Augenblicke dazugewinnen, aber wenn eine Entscheidung in diesem Kampf gefunden wird, fällt sie nicht zu Gunsten des Charakters aus und er trifft sie auch nicht selbst.

    Sorkin, ein junger, arroganter Adliger (ich liebe Klischees), gerät mit einem schlecht gekleideten Fremden aneinander. Hierbei handelt es sich allerdings zu dessen Nachteil um keinen geringeren als Kaldarion, der obigem Kampf entkommen ist, und sich gerade unter einem Baum im Schatten erholen wollte.

    SL: Da ist eine wunderbare Linde, die wie geschaffen für eine Mittagspause ist, allerdings liegt eine zerlumpte Gestalt darunter und döst.

    Spieler: Der wird wohl gehen müssen. "He Du, heb Dich hinfort und räume den Platz für mich!"

    SL: Die Gestalt reagiert kaum, nur langsam hebt er ein Auge, sieht dich kurz an, dreht sich dann aber wieder weg.

    Spieler: "Willst Du mich ärgern, Du Flegel? Ich sagte, pack Dich hinfort, oder muß ich Dir erst Beine machen?" Ich mache einen Schritt auf ihn zu, und ziehe langsam mein Schwert.

    SL: Du weißt nicht recht, ob er dich beobachtet oder ob er schon wieder schläft, aber zumindest macht er keinerlei Anstalten, sich zu erheben.

    Spieler: "Na gut, Du hast es nicht anders gewollt." Ich setze ihm mein Schwert auf die Brust.

    SL: Du weißt nicht genau, wie er es gemacht hat, aber plötzlich steht er neben dir und hat ebenfalls ein Schwert in der Hand. Du hast das Gefühl als ob er amüsiert wäre, aber du hast kaum Zeit, dir darüber Gedanken zu machen. Plötzlich zischt seine Klinge durch die Luft, du versuchst zu parieren, aber du reagierst zu spät. Scheinbar hat er soeben dein Wams zertrennt. Wenigstens hat er dich verfehlt. Was machst du?

    Spieler: Ich verteidige mich, nutze aber jede Gelegenheit zum Gegenangriff.

    SL: Nach ein paar Schlägen siehst du eine Lücke in seiner Verteidigung.

    Spieler: Ist sie echt oder ist es eine Finte?

    SL: Du denkst, daß sie echt ist.

    Spieler: Ich mache eine Finte darauf und sehe ob er sie verteidigt. Wenn ja, versuche ich den Hieb so abzulenken, daß ich ihn treffe.

    SL: Tatsächlich reagiert er auf deine Finte und verteidigt sich dagegen. Aber als du die Richtung deines Schlages ändern willst, hast du das Gefühl, daß er genau das erwartet hat. Anstatt zu parieren macht er einen Schritt auf die Seite und du läufst ins Leere. Wieder ein Schnitt, diesmal quer über deine Hose.

    Spieler: Ich versuche mich zurückzuziehen. "Hört zu, es war ein Jux, den ich mit Euch machen wollte. Hört Ihr, Ihr seid doch kein Spielverderber?"

    SL: Du meinst, ein Lächeln um seine Züge spielen zu sehen, aber vielleicht hast du dich getäuscht, denn seine Attacken werden nicht langsamer, eher ihm Gegenteil. Drei, vier, fünf weitere Schnitte haben dein Hemd mittlerweile beinahe völlig zerstört.

    Spieler: Langsam packt mich eine gewisse Verzweiflung. "Hört doch auf damit, Ihr seht doch, ich habe Euch überhaupt nichts getan...". Ich versuche, ihn auf möglichst große Distanz zu halten.

    SL: Immer mehr Schnitte zerstören langsam deine komplette Kleidung. Plötzlich, du weißt nicht einmal, was geschieht, fliegt dein Schwert durch die Luft und bleibt einen Meter neben dem Stamm der Linde zitternd im Boden stecken. Der Fremde dreht sich wortlos um und setzt sich neben dein Schwert.

    Spieler: Etwas ratlos stehe ich da, betrachte abwechselnd meine Hand, mein Hemd, mein Schwert und den Fremden.

    SL: Plötzlich sieht er dir in die Augen, tatsächlich, er grinst bis über beide Ohren, er wirkt nicht erbost, vielmehr amüsiert. "Nun setz Dich schon, Du siehst hungrig aus, und wir zerlumpten Landstreicher müssen zusammenhalten, nicht?"

Neben dem Ergebnis eines Kampfes, ist das eigentliche Interesse vor allem auf seinen Verlauf gerichtet. Genau dieser ist es nämlich, der den besonderen Reiz eines Kampfes im Rollenspiel ausmacht. Als Spieler zu erfahren, daß man gewonnen oder verloren hat, ist lediglich die Belohnung am Ende eines anstrengenden Gefechts. Dazwischen liegt, wenn man so will, ein hartes Stück Arbeit. Ein Spielfilm endet nicht nach 10 Minuten mit dem Hinweis, daß der Bösewicht vom Helden gestellt und besiegt wurde, und genauso verhält es sich im Rollenspiel.

Dazu muß noch eine allgemeine Feststellung zum Realismus im Rollenspiel gemacht werden. Im Rollenspiel geht es, wie im Theater, in Büchern oder im Film, nie um eine realistische Darstellung der Wirklichkeit. Die Frage ist lediglich, wie weit man sich von der Wirklichkeit entfernt, bis man die gewünschte "fiktive" Wirklichkeit erreicht. Möchte man eine realitätsnahe Welt beschreiben, werden Kämpfe eher selten, kürzer und tödlicher, während man in einer realitätsfernen Umgebung alle Möglichkeiten ausnutzen kann, die man beispielsweise aus Mantel-und-Degen- oder Action-Filmen kennt. Man muß sich dieses Unterschieds bewußt werden. Je länger und damit spannender ein Kampf werden soll, desto weiter muß er zwangsläufig von der Wirklichkeit entfernt sein, aber um so eher erlaubt dies die Gestaltung spektakulärer, aber eben auch unrealistischer Szenen.

Das restliche Kapitel beschäftigt sich darum mit den Möglichkeiten, einen Kampf ansprechend zu gestalten und darzustellen. Ich habe versucht, mögliche Kampfstrategien genauer zu beschreiben. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten im Nahkampf: Angriff oder Verteidigung.

Verteidigungs-Strategien

    Reine Verteidigung

Die erste und beste Wahl, wenn es ums eigene Überleben geht. Es geht nicht darum, den Gegner zu verletzen, das einzige was zählt, ist mit heiler Haut davonzukommen. Wenn man davon ausgeht, daß der Gegner etwas besser ist, als man selbst, ist die reine Verteidigung die beste Möglichkeit, den Kampf unverletzt zu überstehen. Auch wenn man abgelenkt oder verwundet ist, gilt das Hauptaugenmerk der eigenen Sicherheit. Wenn es gegen mehr als einen Gegner geht: reine Verteidigung und man hat eine Chance, die Sache heil hinter sich zu bringen.

Im Prinzip ist die reine Verteidigung nichts anders als zu reagieren und zurückzuweichen. Wird man vom Gegner bedrängt, macht man einen Schritt zurück. Immer und immer wieder. Sind es mehrere Gegner, gilt das gleiche, immer in Bewegung bleiben, versuchen, daß sie sich gegenseitig im Weg stehen.

Und wenn man trotzdem verletzt wird? Dann bleibt nichts anderes als Flucht. Wenn der Gegner in der Lage ist, trotz reiner Defensivmaßnahmen die eigene Verteidigung zu durchdringen, ist er einfach haushoch überlegen und irgendetwas läuft absolut verkehrt.

Gelingt es einem umgekehrt, einen Gegner trotz reiner Verteidigung zu verletzen, gilt das Gegenteil. Man kann sich fast ganz sicher sein, daß man in diesem Kampf die Oberhand gewinnt. Es sei denn, der Gegner hat einen hereingelegt.

    Langsames Zurückweichen

Ähnlich wie bei der reinen Verteidigung überläßt man es dem Gegner zu handeln. Sobald er eine Attacke versucht, weicht man zurück, in der Hoffnung, daß er sich irgendwann zu weit nach vorne wagen wird. Außerdem hat man den Vorteil, daß man einen offenen Fluchtweg hat, sollte der Gegner davon ablassen, einem zu folgen. Und wenn der Gegner schwächer ist als man selbst, wird er mit seinen Fehlern nicht lange auf sich warten lassen.

    Improvisierte Verteidigung

Vielleicht eine Verzweiflungstat, aber durchaus wirkungsvoll. Im Zweifelsfall benutzt man einfach alles, was sich in der Kürze der Zeit auftreiben läßt zur Verteidigung. Stuhlbeine, umgeworfene Tische, Flaschen, Bücherregale. Es gibt keine Garantie, daß es funktioniert, aber es verhindert eine Zeitlang, mit feindlichem Stahl, Blei oder was auch immer Bekanntschaft zu machen.

    Flucht

Nicht die eleganteste Art der Verteidigung, aber mit Abstand die sicherste. Zumindest wenn man es schafft, davonzukommen. Dies hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem davon, ob der Gegner gewillt ist, der eigenen Flucht zuzusehen oder ob er alles für eine Verfolgung unternimmt und den Kampf fortsetzen will.

Angriffs-Strategien

    Kampf

Schlicht und ergreifend der übliche Kampf. Dies erlaubt, sämtliche Register der bewaffneten Auseinandersetzung zu ziehen. Man agiert und reagiert, nimmt seine Chancen wahr, verteidigt sich gegen Angriffe und versucht, Vorteile für sich heraus zu arbeiten.

Wenn alle an einem Kampf beteiligten diese Strategie wählen, ergibt sich das Ergebnis einfach durch den Vergleich der Fertigkeiten im Kampf. Wenn sich so kein Ergebnis finden läßt, endet der Kampf unentschieden oder einer der Beteiligten ändert seine Strategie.

    Bedrängen

Mehr als nur im normalen Kampf, versucht man hierbei, Druck auf den Gegner auszuüben. Immer wieder drängt man den Gegner zurück, nutzt jede Öffnung in der Verteidigung, stürmt unnachgiebig vorwärts. Gerade wenn die Zeit drängt und der Kampf möglichst kurz andauern sollte, ist es eine Möglichkeit, bei nur mäßigem Risiko, einen Erfolg für sich zu verbuchen. Die Stärke in dieser Strategie liegt vor allem in der Psychologie. Je zuversichtlicher man wirkt, desto stärker verunsichert man seinen Gegner. Solange man überlegen ist, sollte es gelingen, den Gegner zu verwunden. Ist der Kampf jedoch ausgeglichen oder ist man gar unterlegen, setzt man sich einem großen Risiko aus und eine Verletzung wird nicht lange auf sich warten lassen.

    Alles oder nichts

Das genaue Gegenteil der reinen Verteidigung. Die eigene Sicherheit spielt keine Rolle mehr, jede Vorsicht wird beiseite gelegt. Der einzige Gedanke ist der Sieg und die Niederlage des Gegners. Eine Strategie, die unglaublich riskant ist.

Solange man dem Gegner deutlich überlegen ist, hat man vielleicht zum finalen Schlag ausgeholt und bewirkt den größten Schaden.

Andererseits erhält man auf diese Art und Weise ziemlich ernste Wunden, sobald der Gegner nur annähernd gleichwertig ist. Und sollte er überlegen sein, könnte es kaum schlimmer kommen.

Weitere Möglichkeiten

    Finte

Bei einer Finte gibt man bewußt vor, beim nächsten Schlag in eine bestimmt Richtung oder an eine bestimmte Stelle zu schlagen, um dann, sobald der Gegner dort verteidigt, schnell die Richtung der Attacke soweit so verändern, daß man die entstandene Lücke nutzen kann.

Ist man seinem Gegner überlegen, wird er darauf hereinfallen und man hat eine gute Gelegenheit erreicht, ihm eine Verletzung beizubringen.

Ist man dagegen unterlegen, war das Manöver überaus deutlich und leicht zu erkennen und anstatt darauf hereinzufallen, wird der Gegner sogar einen Vorteil daraus ziehen können.

Bei gleichwertigen Gegnern kann man Erfolg haben, aber genausogut kann die Absicht hinter einem solchen Hieb erahnt werden und im Gegenzug erhält man selbst eine Wunde.

    Angetäuschte Öffnung

Bewußt bietet man seinem Gegner eine Lücke in der Verteidigung an, auf jeden Fall etwas, das danach aussieht. Es besteht auch die Möglichkeit, Unkonzentriertheit vorzutäuschen und den Gegner so in Sicherheit zu wiegen oder zu einer leichtsinnigen Aktion zu verführen. Sobald er versucht, die sich scheinbar bietende Gelegenheit wie erwartet zu nutzen, hat man Chance, Schaden zu verursachen, zumindest wenn man es mit einem Gegner zu tun hat, der gleichwertig oder schwächer ist.

Ist der Gegner dagegen deutlich besser, wird er die Falle erkennen und sie wird zur Gefahr für denjenigen, der sie eigentlich stellen wollte.

    Entwaffnen

Dies ist eine gute Möglichkeit, einen Kampf deutlich und ohne Blutvergießen zu gewinnen. Eine typische Szene aus vielen heroischen Filmen: mitten im heißesten Gefecht fliegt plötzlich die Waffe durch die Luft und der Gegner steht da, ohne eine weitere Möglichkeit, den Kampf fortzuführen.

Unterlegenen Gegnern mag es häufiger passieren, ihre Waffe zu verlieren, während gleichwertige Gegner zumindest sehr unaufmerksam sein müssen, damit dieses Manöver zum Erfolg führen kann. Bei einem überlegenen Kontrahenten läuft man dagegen Gefahr, selbst entwaffnet zu werden.

    Die eigenen Fähigkeiten verbergen

Zweierlei Möglichkeiten bieten sich an. Zum einen kann man ohne größere Schwierigkeiten versuchen, schlechter oder unerfahrener zu wirken, als man ist. Die Bewegungen sind langsamer, die Attacken kommen ungenauer. Als würde ein Schachspieler gelegentlich eine Figur ohne besondere Absicht opfern.

Man kann damit erreichen, daß sich der Gegner in Sicherheit wiegt, oder vielleicht nie von eigenen Vorteilen erfährt. Wissen ist bekanntlich Macht, und wer vom Gegner unterschätzt wird, hat bei anderer Gelegenheit noch einen Trumpf im Ärmel.

Andererseits besteht durchaus die Gefahr, gegen einen Gegner anzutreten, dessen Fertigkeiten die volle Aufmerksamkeit verlangen würden. Dadurch verliert man vielleicht die Sekundenbruchteile, die über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Die zweite Möglichkeit ist, Fähigkeiten vorzutäuschen, die man nicht besitzt. Dies ist natürlich deutlich schwieriger, als schlechter zu erscheinen. Womöglich läßt sich sogar ein besserer Gegner davon in die Irre leiten und dazu bringen, einen Kampf, den er unter gewöhnlichen Umständen gewinnen würde, abzubrechen. Aber durch die äußerst gewagten Techniken, die man anwenden muß, ohne sie wirklich zu beherrschen, gibt man sich Blößen, die schlimmstenfalls tödlich enden können, auch bei Gegnern die einem sonst nur ebenbürtig wären. Deutlich überlegene Gegner erkennen darüber hinaus fast sofort, daß sie es mit keinem ebenbürtigen Kontrahenten zu tun haben und können die sich anbietenden Schwachstellen ebenso schnell nutzen.

    Schmutzige Tricks

Vielleicht nicht jedermanns Sache, sind schmutzige Tricks manchmal die einzige Möglichkeit, die eigene Haut zu retten. Zwar muß der Charakter, je nach den Moralvorstellungen seiner Umwelt eventuelle Konsequenzen tragen, aber immerhin kann er dies noch. Und nicht jeder Held erstrebt einen ehrenhaft Tod im Kampf...

Ein Beispiel ist der Angriff auf das Gesicht oder die Augen des Gegners, sei es mit heißem Kaffee, Säure, Sand oder anderem. Ebenfalls beliebt (oder unbeliebt) ist ein Angriff auf die Regionen zehn Zentimeter unterhalb der Gürtelschnalle.

Wie gesagt, nicht fair, aber wirkungsvoll und manchmal das einzige Mittel.

    Ermüden

Ist ein Charakter einem Gegner ebenbürtig, aber erheblich stärker, kann er versuchen, dies zu seinem Vorteil zu machen. Kräftige Hiebe, stärker als üblicherweise ausgeführt, können soweit führen, daß der Gegner seine Waffe nicht mehr richtig halten kann. Aber auch Erschöpfungserscheinung können eintreten. Ist der Gegner technisch unterlegen, muß er, um sich dieser Hiebe zu erwehren, mehr Kraft einsetzen, als er über längere Zeit kann, als Konsequenz ermüdet er schneller. Ist der Gegner dagegen besser, kann er die stürmischen Attacken sogar gegen den Angreifer selbst richten. Bekannt ist dies aus dem Aikido, wo versucht wird, jeden Angriff ins leere Laufen zu lassen, aber prinzipiell steht diese Möglichkeit jedem Kämpfer offen.

Man kann aber auch durch größere Ausdauer versuchen, einen Vorteil gegenüber dem Gegner zu gewinnen. Gerade bei beinahe gleichwertigen Gegnern kann zum entscheidenden Faktor werden, wer nach langem Kampf und trotz Erschöpfung noch etwas schneller reagiert oder wer noch die Kraft zu einem letzten Streich besitzt.


Das sollte an Beispielen genügen, ich denke, daß deutlich wurde, wie sich ein Kampf ohne Würfel durchführen läßt. Zwischen dem endgültigen Ausgang eines Kampfes und den einzelnen Aktionen liegt aber noch etwas. In aller Regel geht ein Kampf nicht spurlos an den Beteiligten vorüber, zumindest der Unterlegene trägt häufig Verletzungen davon. Da bei Daidalos auf Spielwerte verzichtet wird, liegt auch die Beurteilung von Verletzungen beim Spielleiter.

Bei unterschiedlichen Charakteren kann eine ähnliche Wunde ganz verschiedene Auswirkungen haben. Wieder liegt es an jedem Spieler, anhand der Beschreibung seines Charakters deutlich zu machen, welche "Nehmer-Qualitäten" dieser besitzt und damit dem Spielleiter ein Mittel an die Hand zu geben, um die Auswirkungen auf den Charakter feststellen zu können.

Da das Ausmaß von Verletzungen sehr von der Art des Rollenspiels abhängt, ist es sinnvoll, nur ein paar, absichtlich sehr vage Unterteilungen bei möglichen Verletzungen zu treffen, denn grundsätzlich gilt auch bei Verletzungen das weiter oben gesagte über Realismus im Rollenspiel und die Darstellung einer fiktiven Wirklichkeit. Je spannender und dramatischer die Darstellung werden soll, desto weiter muß man sich nicht nur im Kampf, sondern auch bei Verletzungen von der Realität abwenden. Nüchtern betrachtet kann ein Messerstich tödliche Folgen haben, aber es gibt im Gegenzug genug Beispiele von "echten" Helden im Film, die auch nach ein paar Kugeltreffern nur von Kratzern sprechen.


Verletzungen

    Knapp daneben

Vielleicht keine echte Verletzung, aber vom dramaturgischen Standpunkt aus durchaus erwähnenswert. Bestes Beispiel ist vielleicht der Pfeil eines Indianers im Hut eines Cowboys. Aber auch eine Kugelsalve, die Löcher in eine Mauer direkt hinter den Charakteren schlägt, ist häufig ausreichend, um klarzustellen, daß sie nicht mehr einfach tun und lassen können, was sie wollen. Ein Schwertstreich, dem ein Charakter nur mit Mühe entgeht, zeigt ganz deutlich, daß ein Gegner eine ernsthafte Bedrohung darstellt und vielleicht sogar unterschätzt wurde.

    Nur ein Kratzer

Dramaturgisch ähnlich wie ein Beinahe-Treffer. Aber eben doch ein bißchen mehr, immerhin ist es dem Gegner gelungen, die eigene Verteidigung zu durchdringen. Die Auswirkung ist in körperlicher Hinsicht zu vernachlässigen. Blutergüsse, Schürfwunden, ein paar Kratzer sind höchstens etwas schmerzhaft (oder bei wirklichkeitsnahen Spielen bereits recht schmerzhaft) und können bereits eine gefährlich werdende Ablenkung darstellen, auf alle Fälle aber sind sie der sichtbare und spürbare Beweis, nicht unverwundbar zu sein. Und wer an sich zweifelt, hat einen Kampf bereits verloren, denn, wie Napoleon schon erkannte, Moral und Stärke verhalten sich wie vier zu eins.

    Leichte Verletzung

Wiederum schwerer als ein Kratzer bereitet eine leichte Verletzung einem Charakter bereits Probleme. Leichte Verletzungen sollten irgendwann behandelt werden, auch wenn es nicht sofort sein muß, empfiehlt es sich nicht, sich damit zulange Zeit zu lassen. Um sich von leichten Verletzungen zu erholen sind nicht unbedingt ein Arzt oder ähnlich bewanderte Personen erforderlich, die körpereigene Regenerationsfähigkeit genügt dazu, der Prozeß des Heilens dauert nur einfach länger als bei sachkundiger Unterstützung. Wird ein Charakter leicht verletzt, kann er in kritischen Situationen - und zumeist wird man in solchen verletzt - durchaus noch eine Weile weiter handeln, aber sowohl seine Konzentration als auch seine Leistungsfähigkeit sind beeinträchtigt. Jede Anstrengung schwächt stärker als gewöhnlich und kann zusätzlich die vorhandene Wunde verschlimmern. Eine leichte Wunde kann in einem Kampf bereits über Sieg oder Niederlage entscheiden, da der unverletzte Gegner häufig den längeren Atem hat und, sollte er keinen Fehler machen, nur darauf warten muß, bis die Wunde ihre Wirkung tut und die ersten Anzeichen von Schwäche auftauchen.

    Schwere Verletzung

Eine schwere Verletzung ist eine ganz erhebliche Beeinträchtigung des Verwundeten. Eine erste Behandlung darf nicht zu lange auf sich warten lassen, ansonsten können lebenslange Beschwerden mit der Verletzung verbunden sein. Ohne Betreuung durch geschulte Personen ist zudem kaum mit einer vollständigen Heilung zu rechnen. Überleben wird er vielleicht, aber die Folgen dieser Verletzung werden lange Zeit spürbar sein. Großen Anstrengungen kann sich der Verletzte ebenfalls nicht mehr aussetzen. Er kann, soweit er bei Bewußtsein ist, sprechen und einfache Handlungen durchführen, aber jede Bewegung birgt ein Risiko. Bei allem, was darüber hinausgeht, läuft er Gefahr, die vorhandenen Verletzungen noch drastisch zu verschlimmern.

    Tödliche Verletzung

Die schlimmste Verletzung die sich ein Charakter zuziehen kann ist eine tödliche. Vielleicht klingt das wie eine Selbstverständlichkeit, aber man muß es von der anderen Seite betrachten. Ein sofortiger Tod trifft keinen Charakter. Ohne Ausnahme. Das hat ein Charakter, in den ein Spieler viel Mühe und Arbeit investiert hat nicht verdient. Und der Spieler noch weniger. Eine tödliche Verletzung bedeutet, daß ein Charakter kurz davor steht, seinen Geist auszuhauchen, aber es gibt noch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Vielleicht kann einer seiner Gefährten ihm soweit Hilfe leisten, daß er die nächsten Minuten übersteht, vielleicht ist gar ein heilkundiger Magier bei der Gruppe (einer der ganz großen Vorteile der Fantasy-Rollenspiele). Wenn dies nicht der Fall ist, hat der Charakter und damit der Spieler zumindest die Möglichkeit für letzte Worte. Dazu aber weiter unten in diesem Kapitel noch etwas mehr.


Die Beschreibung von Verletzungen ist sehr allgemein gehalten. Das bedeutet vor allem für den Spielleiter, daß er ein Gespür für die Stimmung braucht, die sich aus der Bedrohung für die Charaktere ergibt. Es kommt nicht auf eine buchhalterische Genauigkeit an, mit der das Leben der Charaktere gemessen wird. Eine Rechnung in der Art "Drei leichte Verletzungen und zwei Kratzer macht eine schwere Verletzung" ist nicht notwendig und zerstört die Atmosphäre. Verletzungen bedeuten Unsicherheit und Ungewißheit und damit Spannung. Der Spielleiter kann sich, ohne auf andere Dinge Rücksicht nehmen zu müssen, am Plot orientieren und die für die Geschichte beste Stimmung erzeugen. Wenn die Spieler Angst um ihre Charaktere hatten, war in einem Kampf die richtige Atmosphäre vorhanden.

Verletzungen haben einen erheblichen Anteil an der Dramaturgie eines Kampfes und darüber hinaus auch an der einer ganzen Geschichte. Je nach Schwere und Ausmaß können sie unterschiedliche Funktionen haben, leichte Verletzungen der Charaktere haben kaum einen längeren Einfluß und sind daher eher als Warnungen oder Hindernisse geeignet. Sie sollten nicht unbedingt zur Alltäglichkeit werden, aber, abhängig von der Risikofreude eines Charakters, kann man damit gewisse Grenzen aufzeigen. Wirklich schwere Verletzungen, die einen Charakter noch lange beschäftigen, sollten nicht leichtfertig eingesetzt werden. Nicht gemeint sind damit natürlich Verletzungen, die sofort oder innerhalb kurzer Zeit behandelt werden und heilen können.

Eine schwere Verletzung im eigentlichen Sinne ist sowohl für den Spieler als auch den Charakter eine Herausforderung, mit der man bis an die Grenzen des Rollenspiels gehen kann. Um nicht falsch verstanden zu werden: dies ist keine Aufforderung, die Charaktere bei jeder Gelegenheit zu Krüppeln werden zu lassen. Vielmehr kann aus einem Verlust für einen Charakter ein Gewinn für das Rollenspiel werden. Und dazu möchte ich ermuntern. Auch auf die Gefahr hin, daß es dem betreffenden Spieler nicht gefallen wird. Allerdings sollte der Spielleiter so fair sein, eine Möglichkeit zu bieten, diesen Verlust auszugleichen. Das muß nicht sofort sein, der Spieler muß nichts davon wissen und der Ausgleich muß nicht im Sinne des Spielers sein. Aber wer die harten Seiten des Schicksals erfährt, darf auch immer wieder etwas Glück haben. Hier muß der Spielleiter das richtige Maß finden und seine Spieler entsprechend einschätzen können. Es wäre falsch, wenn ein Spieler seinen Charakter deswegen aufgibt, um einen neuen, einen "besseren" Charakter zu erschaffen.

In welchem Ausmaß sich solche schweren Verletzungen bewegen können, ist sehr von der gewählten Spielwelt abhängig. In einer Welt der Zukunft mit einem entsprechend hohen Stand der Medizin oder einer Welt voller Magie können Wunden und Verletzungen behandelt werden, wie es heute nicht vorstellbar ist. In einer mittelalterlichen Welt wäre dieser Unterschied noch deutlich stärker, wenn auch in der anderen Richtung ausgeprägt. Dementsprechend kann also ein Knochenbruch bereits schwerwiegendere Folgen haben als eine Rückenmarksverletzung. Wobei immer die Möglichkeit besteht, daß für einen bestimmten Fall die Wissenschaft, die Technik oder die Magie noch nicht weit genug entwickelt ist, vielleicht aber kurz davor steht, eine Lösung zu finden. Wann und wie der betroffene Charakter davon erfährt und was der Preis sein wird, steht wie immer auf einem andern Blatt.



Feinde



Feinde gehören zu den wichtigsten Bestandteilen im Rollenspiel. Sie sind echte Nichtspieler-Charaktere, sie haben eine eigene Persönlichkeit, eigene Pläne und Ziele, sie ragen, wie die Spieler-Charaktere aus der Masse heraus. Das macht sie interessant, aber auch gefährlich. Jeder Charakter macht sich im Laufe seines Lebens Feinde, selbst wenn er nur "Gutes" tut, hat er es sich mit einem der "Bösen" verdorben.

Charaktere können bereits bei ihrer Erschaffung mit einem oder mehreren ihrer Mitmenschen verfeindet sein. Häufig kann sich auch im Spiel eine Feindschaft entwickeln, ebenso wie Freundschaften. Feinde haben immer, anders als die "normalen" Gegner während eines Abenteuers, ein persönliches Interesse an dem betroffenen Charakter.

Wie jeder Charakter ist auch jeder Feind anders. Angefangen bei eher zufälligen Feinden, denen man irgendwann ein wenig in die Quere gekommen ist und die eine sich bietende Gelegenheit zur Rache vielleicht nutzen würden, bis hin zu erbitterten Todfeinden, deren ganze Energie darauf gerichtet ist, an einem Charakter Vergeltung zu üben. Mit Hilfe von Feinden kann der Spielleiter das Rollenspiel um einige Facetten bereichern. Dazu bedarf es jedoch einer gewissen Vorbereitung. Ein Feind taucht nicht einfach auf, er hat, ganz wie ein Spieler-Charakter, eine gewisse Vorgeschichte, eigene Interessen, besondere Vorlieben, kurz alles, was einen Charakter ausmacht, nur daß er nicht auf der Seite der Charaktere steht. Ein gut ausgestalteter Feind kann eine beinahe ebenso vielschichtige Persönlichkeit wie ein Spielercharakter entwickeln.

Das bietet auch eine interessante Idee für eine Rollenspielkampagne: Warum sollten die Spieler nicht mal in die Rolle ihrer Feinde schlüpfen und versuchen, ihren eigenen Charakteren das Leben schwer zu machen.

Um die Persönlichkeit und die Fähigkeiten eines Feindes besser überschauen zu können, muß sich der Spielleiter oder der Spieler über einige Gesichtspunkte im klaren werden. Im Prinzip gilt alles, was bereits bei der Charaktererschaffung gesagt wurde, und ein Feind ließe sich genauso wie ein Charakter erschaffen. Es muß manches jedoch noch zusätzlich bedacht werden, was für die Rolle eines Feindes von besonderer Bedeutung ist.

Wichtig ist zu Beginn der Grund für die Verfeindung des Charakters und seines Gegenspielers. Ist es eine Rivalität aus frühester Kindheit? Besteht die Feindschaft schon über mehrere Generationen hinweg in den Familien? Sie die beiden Konkurrenten? Im Beruf oder privat? Hat der Charakter die Karriere des Feindes zerstört? Ist der Feind auf den Charakter eifersüchtig? Ist Freundschaft oder Liebe in Haß umgeschlagen? Gibt der Feind dem Charakter die Schuld am Tod von jemandem, der ihm nahestand - berechtigt oder unberechtigt?

Dies sind lediglich Beispiele für die Motivation eines Feindes. Selbstverständlich gibt es tausenderlei verschiedene Gründe für eine Feindschaft und jeder ist dazu aufgefordert, kreativ zu werden.

Neben dem Grund für die Feindschaft muß man sich auch mit deren näheren Umständen auseinandersetzen. Weiß der Charakter von den feindseligen Gedanken seines Gegners? Ist sie bereits offen ausgebrochen oder findet sie unter einem zivilisierten Deckmantel statt? Wie reagiert der Charakter auf Anfeindungen? Ist er passiv und versucht den Konflikt einzudämmen oder ist er vielleicht die treibende Kraft? Besteht die Möglichkeit und das Interesse, die Feindschaft eines Tages beizulegen? Wieviele Personen sind beteiligt? Ist es eine Angelegenheit zwischen zwei Einzelpersonen oder ist eine ganze Gruppe daran interessiert? Wieviel weiß der Feind wirklich über den Charakter? Sind es nur Vermutungen und Gerüchte, die er kennt oder sammelt er seit Jahren jede Information, die er bekommen kann? Wie würde ein Unbeteiligter den Konflikt sehen?

Daneben ist auch die Macht und das Engagement eines Feindes von Interesse. Nur die allerwenigsten Feinde schwören Blutrache, sehr zum Glück der Charaktere. Genügt es ihm, dem Charakter eins auszuwischen oder ihn bloßzustellen, wenn sich die Möglichkeit bietet? Oder wird er aktiv und versucht er, dem Charakter bewußt Steine in den Weg zu legen? Wie weit geht der Feind des Charakter? Bedient er sich nur legaler Mittel oder ist ihm alles recht, wenn er nur den Charakter zur Strecke bringen kann? Nutzt er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, um den Charakter zu erwischen?

Häufig steht das Ausmaß der Bemühungen um Rache in direktem Zusammenhang mit den geplanten Maßnahmen. Vermutlich würde kein Feind einem Charakter um den ganzen Erdball folgen, um ihn in aller Öffentlichkeit zu beschimpfen. Und umgekehrt wird ein Feind, der den Tod des Charakters wünscht, kaum warten, bis der Charakter sich bei ihm meldet. Auch wenn hier wiederum Ausnahmen die Regel bestätigen.

Das sollte fürs erste ausreichen, um sich ein Bild des Feindes eines Charakters machen zu können. Auch einen Feind verändert das Rollenspiel im Laufe der Zeit, genauso wie die Spielercharaktere. Mit einem immer wieder in Erscheinung tretenden Feind hat der Spielleiter ein hervorragendes Mittel, ein atmosphärisch ausgesprochen dichtes Spiel zu ermöglichen. Allein der gelegentliche Hinweis, daß vielleicht der alte Feind der Charaktere wieder einmal seine Finger im Spiel haben könnte, genügt häufig, um fast panikartige Reaktionen auf Seiten der Spieler hervorzurufen. Besonders interessante Möglichkeiten bieten sich, wenn sich die Konstellationen von Freund und Feind ändern. Spielercharaktere haben Feinde und Freunde, diese wiederum haben ebenfalls Feinde und Freunde. Und es ist nicht ausgeschlossen, daß Freunde von Feinden selbst zu Feinden werden, aber umgekehrt kann plötzlich jemand den Charakteren zu Hilfe eilen, von dem sie es vielleicht nie erwartet hätten, und es stellt sich heraus, daß es einen gemeinsamen Feind gibt.

Der Spielleiter sollte jedoch bedenken, daß mächtige Feinde, die sich zusammen schließen, eine beträchtliche Gefahr für die Charaktere darstellen. Aber auch diese Bündnisse brechen wieder, nur um neuen Platz zu machen. Und damit sind wir schon beim nächsten Thema möglicher Konflikte.



Intrigen, Verschwörungen und große Pläne



Zu einer Eigenart des Rollenspiels gehört, daß neben den Spielercharakteren noch viele weitere Personen beteiligt sind. Jede von diesen hat eigene Interessen und Pläne. Als Spielleiter all das zu berücksichtigen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch sollte es für die Charaktere immer so aussehen, als stünde hinter den Handlungen wichtiger Nichtspieler-Charaktere ein Plan, von dem sie nur einen kleinen Teil erblicken können. Nicht alle Spieler haben gleichen Spaß an Verschwörungen und Intrigen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß die meisten Spieler einen gewissen Wiedererkennungs-Effekt durchaus zu schätzen wissen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist der Einsatz von immer wieder auftretenden Persönlichkeiten, angefangen bei Auftraggebern der Charaktere, über Personen des öffentlichen Lebens bis hin zu den bereits beschriebenen Feinden. Selbst bei Abenteuern, die nur lose oder gar nicht zusammenhängen, bietet das Antreffen alter Bekannter Möglichkeiten zum Rollenspiel, umso mehr, wenn gewisse Personen eine eigene Geschichte erkennen lassen. Zugegeben, dieses Konzept, möglichst vielen Nichtspieler-Charakteren eigene Schicksale zukommen zu lassen, ist ein enormer Aufwand. Aber es gibt einige Tricks, sich die Arbeit deutlich zu erleichtern.

Es muß nicht immer eine Weltverschwörung sein. Natürlich sind die Charaktere keine normalen Menschen, aber selbst sie retten nicht jeden Tag die Menschheit vor globalen Katastrophen. Gerade die kleinen Szenen machen die Glaubwürdigkeit und das besondere Flair eines Szenarios aus. Der Spielleiter kann, ohne lange vorher darüber nachdenken zu müssen, einfache, aber durchaus sinnvolle Entwicklungen aus dem Ärmel schütteln. Improvisation ist das Stichwort, allerdings empfiehlt es sich, einmal getroffene Entscheidungen zu notieren, um bei der nächsten Begegnung keinen Widerspruch entstehen zu lassen.

Ein Beispiel: Sirkin, Rojane und Ardbert, die Charaktere in einer phantastischen, mittelalterlichen Welt kommen hin und wieder zum "Roten Adler", einer Gastwirtschaft. Sannia, die Wirtin, ist eine zuvorkommende und freundliche Gastgeberin in einer gutgehenden Wirtschaft. Das konnten die Charaktere bereits die letzten Male feststellen. Eine Herberge mit zufriedenen Kunden vergrößert sich vielleicht eines Tages, so die Gedanken des Spielleiters. Und als die Charaktere eines Tages wieder im "Roten Adler" einkehren, entschuldigt sich Sannia mit vielen Worten für die Unannehmlichkeiten, die der derzeitige Umbau mit sich bringt, aber sie hofft, die Charaktere auch in Zukunft wieder begrüßen zu dürfen.

Durchaus keine weltbewegende Sache, aber was im Kleinen funktioniert, tut dies auch in größerem Maßstab. Das Geheimnis besteht lediglich darin, daß die Ziele beteiligter Personen mit dem Umfang eines Plans immer undurchsichtiger werden.

Die Möglichkeit zu groß angelegten Verschwörungen bieten sich praktisch in jedem Genre, das von Rollenspielern genutzt wird. Jede Zeit und jede Welt hat ihre Schurken mit ihren üblen Plänen, ob sie einen König stürzen und selbst auf den Thron wollen, ein alles beherrschendes Finanzimperium aufbauen oder gleich die gesamte Galaxis unterwerfen wollen, eines zumindest haben sie alle gemeinsam: irgendwie kommen die Charaktere damit in Berührung, manchmal als Entdecker übler Machenschaften, manchmal als unfreiwillige Handlanger oder im Auftrag eines Gegenspielers.

Als Spielleiter muß man nicht von Anfang an das große Ziel der Gegenseite kennen, dieses wird sich finden. Sobald einige Abenteuer überstanden sind, ergeben sich zwangsläufig Handlungsstränge, auf denen man aufbauen kann. Die Spieler-Charaktere haben sich Feinde und Freunde gemacht und darauf kann der Spielleiter aufbauen. Erst wenn die Charaktere nicht mehr weit davon entfernt sind, in näheren Kontakt mit den Plänen des großen Unbekannten zu treten, ist es an der Zeit, sich mit diesen ein wenig ausführlicher zu befassen. Der erste Schritt ist dabei, sich nach dem "Wer mit wem und warum?" zu fragen, daraus ergibt sich fast immer alles weitere.

Ein Beispiel: Sirkin, Rojane und Ardbert haben bereits einige gemeinsame Abenteuer bestanden. Kennengelernt haben sie sich bei einem Karawanenzug des reichen Händlers Bernard Kopenbrink, für dessen Sicherheit sie sorgen sollten. Einige Zeit später bittet sie Kopenbrink, eine wichtige und dringende Nachricht an den Königshof zu überbringen. Nach einigen Abenteuern kehren die drei aus dem Westen ins Königreich zurück und erhalten von Kopenbrink den Auftrag, ein Geschenk und eine Nachricht an einen Fürst im Süden zu überbringen. Als sie gerade die Bedingungen besprechen, versuchen mehrere finstere Gestalten, ein Attentat auf Kopenbrink zu verüben. Dank dem beherzten Eingreifen der Charaktere schlägt es jedoch fehl und diese machen sich auf den Weg.

Bisher hat der Spielleiter keinen besonderen Zusammenhang erkennen lassen, der einzige Hinweis, daß etwas besonderes im Busch sein könnte, ergab sich durch den Attentatsversuch, der scheiterte. Da aber kein Versuch stattfand, etwas ähnliches zu wiederholen, waren sie Charaktere nicht weiter beunruhigt. Der Spielleiter macht sich nun seine Gedanken, was dahinter stecken könnte (soweit er den Plan nicht bereits verfolgt hat). Er entscheidet, daß der Händler Kopenbrink eine entscheidende Rolle spielen soll. Zu wem soll dieser halten? Zum König? Oder hat der König Feinde, zu denen Kopenbrink gute Kontakte hat? Der Spielleiter teilt ihn der königstreuen Partei zu. Welche Interessen könnte dann der Händler verfolgen, von was handelte die Nachricht? War es eine Warnung? Eine andere wichtige Information? Und vor allem, was wollte er damit erreichen?

Kopenbrink hat davon erfahren, daß der Erzabbau in der Hauptmine des Königreiches nur noch spärlich ausfällt. Die Charaktere überbrachten die Bitte um eine Audienz in geschäftlicher Angelegenheit. Er bot dem König an, von den Minen und Eisenhütten aus dem Süden soviel Eisen zu liefern, wie das Königreich benötigt, wenn er der einzige ist, der die Erlaubnis dazu erhält. Nach längerem Nachdenken willigt der König ein, die fehlende Menge Eisen von Kopenbrink zu kaufen. Der Spielleiter verändert den Status Kopenbrinks ein wenig, nicht sofort für die Spieler sichtbar, aber doch spürbar. Durch die Abmachung wurde Kopenbrink zu einem der einflußreichsten Händler des Königreichs, und im Laufe der Zeit spricht sich dies natürlich herum.

Der Anschlag wurde im Auftrag eines konkurrierenden Kaumanns verübt, der versuchte, auf diese Weise, sein eigenes Kontor wieder ins Geschäft zu bringen, da er durch das Monopol Kopenbrinks fast alles verlor. Davon wissen die Spieler allerdings nichts und selbst Kopenbrink ahnt nur etwas in dieser Richtung. Aber er will nicht untätig sein und seinen Einfluß weiter vergrößern. Die Nachricht an den Baron ist ein Vorschlag zur Heirat zwischen seinem Sohn und der dritten Tochter des Barons - der in argen Finanznöten steckt. Kopenbrink hofft, auf diese Weise mehr Einfluß in Adelskreisen zu erlangen.

Eine andere Möglichkeit wäre genauso denkbar: der Kaufmann versucht mit mehreren Kaufleuten, eine Gruppe Adeliger finanziell zu unterstützen, die nach dem Tod des alten Königs den Anspruch des rechtmäßigen Thronfolgers nicht anerkennen werden. Die Zustimmung zu den Handelsplänen war der Versuch des Königs, die Kaufleute zu entzweien und tatsächlich ist Kopenbrink auf die Seite des Königs zurückgekehrt. Der Anschlag entsprechend kam von seinen alten Verbündeten, die Nachricht ist der Versuch, sich mit einem der adeligen Verschwörern, der finanzielle Schwierigkeiten hat, zu einigen und damit die Zahl seiner politischen Gegner zu reduzieren. Oder, oder, oder...



Tod



Eine wesentliche und häufige Bedrohung der Charaktere im Rollenspiel ist der Tod. In gewisser Weise kann ein Spieler sich als "Gewinner" sehen - soweit man davon überhaupt sprechen kann - wenn sein Charakter ein Abenteuer überlebt hat.

Ein Abenteuer ist dabei für den Spielleiter eine ständige Gratwanderung, da er zum einen für die Spieler und ihre Charaktere Spannung aufbauen soll, die fast immer aus einem Konflikt heraus entsteht, zum anderen aber die Bedrohung nicht so groß werden darf, daß die Charaktere damit nicht mehr zurechtkommen können und sie für diese tödlich endet.

Die Frage, ob ein Charakter im Rollenspiel sterben kann oder soll, ist wohl eine der schwierigsten überhaupt. Vor allem ist es aber Sache eines jeden Spielleiters, dies nach dem Geschmack der Gruppe und dem Stil der laufenden Kampagne zu handhaben. Daidalos kann dafür keine allgemeingültige Antwort geben, aber es soll versucht werden, einige Denkanstöße zu geben.

Im Idealfall investieren die Spieler viel Zeit und Arbeit in ihre Charaktere und dies sollte entsprechend honoriert werden. Der Zufall als eine der tödlichen Gefahren ist bei Daidalos gewissermaßen systembedingt ausgeschlossen. Gute Spielleiter haben auch bei Rollenspielen mit Würfeln eine 3, wenn eine 4 nötig gewesen wäre, niemals zum Anlaß für den Tod eines Charakters genommen. Zuviel Mühe steckt in ausgearbeiteten Charakteren, als daß sie "einfach so" aus dem Spielleben scheiden. Die Spieler sollten sich darauf verlassen können, ihre Charaktere nicht grundlos zu verlieren. Das heißt allerdings nicht, daß die Charaktere nicht mehr in Gefahr sind, schließlich lebt die Spannung einer Geschichte von der Bedrohung. die Schwierigkeit für den Spielleiter liegt vor allem darin, diese Bedrohung aufrecht zu halten, ohne dabei an "Glaubwürdigkeit" zu verlieren, wie es durchaus geschehen kann, wenn jede Handlung der Charaktere ohne größere Schwierigkeiten im Sinne der Spieler gelingt.

Häufig hört man von Spielern und Spielleitern, daß ein Charakter nur durch die "Dummheit" eines Spielers getötet werden sollte. Ich bin mit dieser Formulierung nicht sehr glücklich. Als Spieler soll man eine Figur in einer Geschichte verkörpern, die nur eine begrenzte Sicht auf die Ereignisse um sie herum hat. Zu oft widersprechen sich dabei das wahrscheinlichste Verhalten eines Charakters, das ja vom Spieler dargestellt werden soll und das sinnvollste Verhalten, wie es sich aus der Sicht des Spielers ergibt, da im Spiel das Wissen von Spieler und Charakter getrennt bleiben müssen.

    Mirana ist eine junge Diebin, neugierig und voll Tatendrang. Eines Tages erbeutet sie ein wertvoll aussehendes Buch. Sie kann zwar nicht lesen, aber neugierig wie sie ist, möchte sie auch einen Blick hinein werfen. Als der Spielleiter das Buch genauer beschreibt, erkennt die Spielerin, daß es sich wohl um eines der seltenen magischen Bücher der Magierkaiser handeln muß, die zudem stets gegen unrechtmäßige Leser sehr gut geschützt sind. Aber da Mirana noch recht unerfahren im Umgang mit magischen Büchern ist, beschließt die Spielerin, daß sie es dennoch öffnen wird.

Ist dieses Verhalten jetzt dumm? Die Spielerin bleibt schließlich nur konsequent in der Rolle der jungen, überaus neugierigen Diebin, obwohl sie sich der Gefahr für den Charakter durchaus bewußt ist. Noch größere Schwierigkeiten können sich bei extremen Charakteren ergeben, egal ob sie beispielsweise besonders jähzornig, ehrenhaft oder dumm sind. Häufig entstehen dadurch Situationen, bei denen sich das strategisch beste Verhalten und das stimmungvollste Rollenspiel widersprechen. Und dabei das Rollenspiel über Berechnung zu stellen ist alles andere als dumm, auch wenn es den Eindruck erwecken mag. Aber das beste Verhalten ist im Rollenspiel eben nicht durch den Weg des geringsten Widerstands gekennzeichnet.

Als Spielleiter sollte man einen Charakter aus einem solchen Grund nicht umkommen lassen. Fast immer gibt es die Möglichkeit, daß ein Charakter seine Lehren aus einer Situation zieht, ohne sein Leben zu verlieren, schließlich werden auch die Helden im Rollenspiel erst aus Schaden klug. Und wenn die Spieler wissen, daß ihre Charaktere nicht bei jeder Gelegenheit sterben, sind sie auch eher bereit, gemäß ihrer Rolle zu spielen, selbst wenn dies manchmal ein gewisses Risiko birgt. Allerdings darf dies eben nicht zu Gedankenlosigkeit führen. Diese ist es wohl eher, die häufig als die Dummheit der Spieler bezeichnet wird. Und es ist wirklich nicht einfach - vor allem bei guten Rollenspielern - zu erkennen, ob das Verhalten eines Charakters auf Dummheit bzw. Gedankenlosigkeit des Spielers oder auf wirklich gutem Rollenspiel beruht, obwohl es ein ganz erheblicher Unterschied ist. Eine Gefahr, die sowohl der Spieler als auch der Charakter erkennen können, darf durchaus tödlich sein. Eine gewisse Konsequenz und Härte muß der Spielleiter aufbringen, wenn er nicht ein albernes, "unglaubwürdiges" Spiel ernten will, ungerechtfertigte Härte ist jedoch genauso fehl am Platz wie überzogene Milde. Handlungen, die in vollem Bewußtsein der möglichen Konsequenzen geschehen, müssen diese Konsequenzen haben. Wichtig ist dabei vor allem, daß dem Spieler stets klar ist, warum sein Charakter stirbt, sollte es denn tatsächlich dazu kommen.

Es geschieht jedoch immer wieder, daß selbst erfahrenen Rollenspielern ein schwerwiegender Fehler unterläuft, sei es weil sie etwas wichtiges übersehen haben, einen Moment nicht nachgedacht haben oder aus anderen Gründen. Mißgeschicke geschehen eben. Aber das ist kein Grund, einen Charakter endgültig aus dem Spiel zu entfernen. Normalerweise sollte der Spielleiter die Handlungen der Charaktere so wenig wie möglich bezweifeln, aber manchmal muß er einfach nachfragen. Wenn also die Frage "Tust du das wirklich?" auftaucht, müssen beim Spieler alle Alarmglocken losgehen. Dann ist irgend etwas ganz und gar nicht in Ordnung. Einmal ausgesprochene Handlungen sollten normalerweise als Tatsachen behandelt werden. Aber keine Regel ohne Ausnahme und in dieser Situation hat sich der "Fool's Joker" sehr gut bewährt. Als ganz seltener Einzelfall darf der Spieler etwas bereits Geschehenes widerrufen und damit nochmals den Kopf seines Charakters aus der Schlinge ziehen.

    Die Spieler haben von einer Gruppe Terroristen erfahren, die einen Behälter hochgiftigen, dabei empfindlichen Kampfstoff gestohlen haben. Bei dem Versuch, den Behälter zurück zu holen, kommt es zu einer Auseinandersetzung mit den Terroristen und einer der Charaktere wirft den Behälter in ein offenes Feuer, in der Annahme, die Flammen würden den Stoff unschädlich machen. Irgendwie hat der Spieler überhört, wie gefährlich und empfindlich das Gift ist - obwohl es sein Charakter davon weiß. Als der Spielleiter ihn fragt "Tust du das wirklich?", wird ihm klar, daß etwas nicht stimmen kann und überlegt es sich noch mal anders, als er die möglichen Auswirkungen realisiert.

Das sollte aber wirklich eine Ausnahme bleiben. Wenn der Spielleiter jedoch nur selten von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, werden es sich die Spieler merken. Die Stimmung nach einer solchen Situation ist häufig, als wären die Charaktere nur ganz knapp entkommen, wie sie es ja - wenn man es so betrachtet - auch sind. Aber es ist allemal besser, als mit einem Schlag die Charaktere der Spieler wegen eines dummen Fehlers auszulöschen.

Und weiter mit dem Kapitel Magie



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